Ein Saatkorn gesät, auf dein Feld gut bestellt…

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Am 28. Februar ’13, nicht ganz termingerecht, trafen sich die Frauen beider Konfessionen in der katholischen Kirche zum Weltgebetstag. Nach dem Gottesdienst sagten einige: „So schöne Lieder waren dieses Jahr!“ Das kam mir auch so vor. Die Lieder, gesungen von Brigitte Beer und ihrer Schwester, begleitet von Hrn. Fröhlich, klangen einfach wunderbar stimmig. Die Texte unterstrichen gehaltvoll ein schwieriges Thema: Der Fremde, der Aufnahme sucht.

Frankreich: Ein fürsorglicher Staat gerät an seine Grenzen
Eine der tragenden Ideen der französischen Revolution 1789 war ein Staat, der sich um seine Bürger kümmert und sie in Notlagen nicht alleine lässt. Doch der Staat kann bei wirtschaftlicher Schieflage dieser Aufgabe in nur geringerem Umfang gerecht werden. Und dann: Was ist mit jenen, die eigentlich gar keine Bürger sind, sondern Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung, Illegale? Sie sind auf uns angewiesen. Hier steigen in Frankreich private Initiativen und die Kirchen ein. Wo der Staat hilflos ist, sind es immer noch kirchliche Stellen, die schnell und unbürokratisch Hilfe bieten können.

Migranten
Sie kommen aus den Krisengebieten über das Mittelmeer. Meist haben sich schon innerhalb ihrer Heimat ein Leben als Flüchtling hinter sich. Erst, wenn Geld und Vorräte zur Neige gehen, wagen viele den Weg über das Meer, todesmutig, da sie nichts mehr zu verlieren haben. In den 90er Jahren verweigerte Frankreich vielen die Aufenthaltsgenehmigung, anderen wurden „die Papiere“ nicht verlängert. Ein Abtauchen in die Illegalität war die Folge. Zwar folgten mehrere Legalisierungswellen, doch nach wie vor rechnet man mit einer unbekannten Größe an Menschen, die ohne gesetzlichen Schutz und Gesundheitsfürsorge leben müssen.
Manche Migranten werden von gewissenlosen Menschen mit falschen Versprechungen nach Frankreich gelockt – und bitter enttäuscht. Statt der erwarteten Haushalts- oder Hilfsarbeiterstelle geraten Frauen in die Prostitution, Männer in die Kriminalität. Sie sind in eine Abhängigkeit geraten, aus der sie sich ohne Hilfe von außen nicht befreien können.

Kirchen ohne Kirchensteuer
Für uns ist es seltsam: Aber in Frankreich ist Religion so sehr Privatsache, dass keine staatliche Stelle darüber Buch führt, wer nun eigentlich katholisch, evangelisch, muslimisch, buddhistisch… ist. Die Kirchen sind auf sich selbst verwiesen und regeln ihre Belange selbst. Nur die Gebäude und deren Instandhaltung wird von Staat unterstützt.
Für die Kirchen bedeutet es einerseits, dass sie um Gläubige werben müssen, da außer in Elsaß und Lothringen kein kirchlicher Religionsunterricht zur Verfügung steht. Andererseits können die Kirchen auch Pfade beschreiten, die absolut neu und ungewöhnlich sind. In Frankreich gibt es kirchliche „Experimente“.
Eines davon ist z. B. die Emmaus-Bewegung. Ins Leben gerufen wurde sie von einem Kapuzinermönch, Abbé Pierre, der seine Klosterzelle verließ, um unter denen zu leben, denen er beistehen wollte, den Obdachlosen.
Ein anderes, berühmtes Experiment: Die Taizé-Bewegung. In einer Zeit, in der die Bedeutung des Sakramentes ins Belanglose abzugleiten droht, verhalf ausgerechnet eine ökumenische Gemeinschaft unter der Führung des Roger Schutz rituellen Handlungen und religiösem Liedgut zu einer neuen Blüte. Das ebnete wiederum vielen Enfremdeten den Weg zurück zu Liturgie und Sakrament. Dieses Alleingelassensein vom Staat scheint für die Kirchen eine ungeahnte Freiheit zu bedeuten.

La Cimade
Unweit der Hauptstadt gibt es eine Insel für Frauen in Not, das Heim der Organisation La Cimade. Schon seit den 30er Jahren bietet es Frauen und ihren Kindern eine Unterkunft, wenn sie vom Lebensgefährten misshandelt oder bedroht werden. In den Vorstädten von Paris, wo Menschen mit Migrationshintergrund dicht gedrängt leben müssen, hat sich ein immer wieder leicht entflammbarer Krisenherd etabliert. Diskriminierung und Aussichtslosigkeit machen aggressiv, und diese Aggressionen bekommen nicht selten die Lebenspartnerinnen und Kinder ab. Man schätzt, dass alle vier Tage eine Frau in der Banlieu durch ihren Lebenspartner zu Tode kommt.
Wie gut, dass es Häuser wie La Cimade gibt. Der Staat kann nur kurze Aufenthaltsdauer bieten, die Kirchen dagegen können die Familien länger unterbringen und den Bedrohten genügend Zeit lassen, wieder auf die Füße zu kommen. Dies und weiterführende Projekte finanziert das Spendeneinkommen des Weltgebetstags.
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Nach dem Gottesdienst wurde den Teilnehmern im Pfarrheim Kulinarisches aus Frankreich serviert: Käse und Olivenaufstrich, Apfelkuchen und Birnenkuchen, ein leichter Rotwein. Über 40 Frauen nahmen die Einladung gerne an.

Ach ja! Bitte im Kalender ankreuzen! Der nächste Weltgebetstag zum Thema „Streams in the Desert“ wird am Freitag, den 7. März 2014, gefeiert. Seine Gottesdienstordnung wurde von Christinnen aus Ägypten verfasst.

(Bilder von Fred Lehner)